Welche Daten und Bioproben werden zur Verfügung gestellt?
Im Rahmen der Medizininformatik-Initiative (MII) , gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, wurden an den universitätsmedizinischen Standorten bundesweit Datenintegrationszentren (DIZ) eingerichtet. Diese bereiten Patientendaten und Bioproben aus der Routineversorgung für die medizinische Forschung auf und stellen diese datenschutzgerecht für medizinische Forschungszwecke bereit. Forschungsergebnisse werden über die DIZ in die Versorgung zurückgeführt.
Standardisierung
Patientendaten werden an allen Standorten der MII individuell erfasst. Das bedeutet, dass die für die Forschung so wertvollen Daten an den Standorten sehr heterogen vorliegen. Daher müssen sie für standortübergreifende Forschungsprojekte interoperabel aufbereitet werden. Damit klinische Forschung deutschlandweit vernetzt durchgeführt werden kann, müssen die Daten strukturiert und standardisiert vorliegen.
Um das zu erreichen, hat die MII sich auf eine gemeinsame Kerndatensatzstruktur verständigt. Bei der Definition der Inhalte wird der FHIR-Standard von HL7. verwendet, der auch im EU-Gesundheitsdatenraum zum Interoperabilitätsstandard wird. Um die notwendige Standardisierung für den Datenaustausch zu erreichen, bilden die Standorte der MII ihre heterogenen Daten durch sogenannte ETL-Strecken auf die Profile der Kerndatensatzmodule ab. Dabei kann es je nach Standort unterschiedlich sein, welche optionalen Datenelemente befüllt werden.
Der MII-Kerndatensatz besteht aus Basis- und Erweiterungsmodulen. Während die Basismodule bereits vollständig definiert sind, wächst der MII-Kerndatensatz stetig durch neu hinzukommende Erweiterungsmodule (wie zum Beispiel genetische Befundberichte). Die Weiterentwicklung erfolgt kontinuierlich, bedarfsgerecht, nachhaltig und international abgestimmt. Die MII wird besonders aufgrund von neu hinzukommenden Anforderungen aus durchgeführten Datennutzungsprojekten zukünftig immer wieder Verbesserungen an den Modulen vornehmen.

Blockschema des Kerndatensatzes: Bezüge aus den einzelnen Modulen können sowohl zu einzelnen Behandlungsfällen oder auch nur zur Person hergestellt werden. Querbezüge zwischen den Modulen sind möglich (und wünschenswert). Das Modul Strukturdaten enthält Daten ohne Patientenbezug und hat daher keine Verbindungen zu den restlichen Modulen. Eine Übersicht über die verfügbaren KDS-Module sowie zu aktuellen Arbeitsständen der geplanten Module ist hier verfügbar.
Basismodule
Modul Person
Die Medizinische Dokumentation verwendet regelmäßig die Unterscheidung Person - Patient - Fall. Das Kerndatensatz-Basismodul Person soll dazu dienen, Bezüge zu den anderen Modulen herzustellen. Das Modul kann standortinterne Identifikatoren aus dem lokalen Identitätsmanagement der Standorte oder bereits existierende eindeutige Schlüssel aus den anderen Modulen des Kerndatensatzes enthalten. Bei Bedarf kann es auch Personenmerkmale für eine einrichtungs- und sektorenübergreifende Integration enthalten. Es sollen nicht nur die Basisdaten eines einzelnen Krankenhausaufenthaltes einer Person, sondern auch Behandlungsverläufe über mehrere Aufenthalte verfolgt werden können. In der vorliegenden Spezifikation wird das Modul Person explizit für Patientinnen und Patienten, Probandinnen und Probanden modelliert.
Modul Diagnose
Diagnosen stellen die Begründung einer Behandlung im Gesundheitssystem dar. Im stationären Sektor werden die Haupt- und Nebendiagnosen in den Krankenhausinformations-Systemen (KIS) für vielfältige Verwendungszwecke zusammengestellt. Im ambulanten Sektor wird von jedem behandelnden Arzt je Fall in der Regel nur eine "Quartalsdiagnose" in den Abrechnungsdaten dokumentiert. In vielen Forschungsprojekten sind Diagnosen die wichtigste (meist) unabhängige Variable.
Diagnosen können auf verschiedene Art und Weise kodiert werden. Am häufigsten finden sich an den Standorten Diagnosen nach dem ICD-10-Katalog kodiert, da diese Kodierung auch für die Abrechnung der Leistungen durch die Krankenkassen verwendet wird. Es gibt jedoch weitere Möglichkeiten zu kodieren, die Forschenden umfangreichere Möglichkeiten bieten. SNOMED CT ist die umfassendste Terminologie in der Medizin, die den Datenintegrationszentren seit 2020 zur Anwendung zur Verfügung steht. Da die Standorte zunächst in der Anwendung von SNOMED CT geschult und Erfassungssysteme auf die Kodierung in SNOMED hin angepasst werden müssen, können Diagnosen noch nicht in der Breite in SNOMED CT abgefragt werden.
Für den Bereich der Seltenen Erkrankungen reicht die Detailtiefe von ICD-10-GM nicht aus. Als zusätzliche Kodiersysteme, die speziell die genaue Abbildung von seltenen Erkrankungen adressieren, wurden Opha-Kennnummern und die Alpha-ID in das KDS-Modul Diagnose aufgenommen. Die Verfügbarkeit ist auf die entsprechende Patientengruppe beschränkt.
Modul Prozedur
Ein weiteres zentrales Element der medizinischen Dokumentation ist die standardisierte Beschreibung von Therapien. Das Basismodul Prozedur enthält Datenelemente zur Dokumentation von Operationen, Eingriffen und sonstigen medizinischen Prozeduren sowie ausgewählter medikamentöser Therapien. Eine Prozedur ist eine Tätigkeit, die im Rahmen der Versorgung an, mit oder für Patientinnen und Patienten durchgeführt wird. Darunter fallen Leistungen der Diagnostik und Therapie. Das Modul wird verwendet, um die Details aktueller und historischer Eingriffe aufzuzeichnen.
Die Erfassung der Prozeduren nach dem OPS-Katalog erfolgt derzeit zumeist über OPS-Codes , die für die Abrechnung stationärer Leistungen genutzt werden. Für die Abrechnung relevante Codes sind somit in der Regel für alle im KDS abfragbaren Patienteninnen und Patienten verfügbar. Eine Erfassung über den Abrechnungsbedarf hinaus wird höchstwahrscheinlich nicht vollständig verfügbar sein.
Modul Laborbefund
Für nahezu alle stationär behandelten Patientinnen und Patienten werden Laboruntersuchungen durchgeführt. Die resultierenden Laborbefunddaten liegen zum großen Teil zentral vor. Patienten- und fallbezogen sollten je Laboruntersuchung folgende Informationen in das Datenintegrationszentrum überführt werden:
•Durchgeführte Untersuchung - Analysename mit eindeutiger Untersuchungs-ID
•Untersuchungsdatum
•Ergebnis (Messwert) der Untersuchung - mit normierter Einheit
•Interpretation: Kennzeichnung, ob pathologischer Wert (empfohlen)
•Skalentyp (optional)
•Referenzbereich (empfohlen)
•Herkunftslabor (optional)
Über die klassischen klinisch-chemischen und hämatologischen Labordaten hinaus können weitere klinische Untersuchungen, mikrobiologische Befunde und Vitalparameter abgebildet werden.
Für die Kodierung der Laboruntersuchungen kommen LOINC-Codes zum Einsatz.
Modul Medikation
Das Modul Medikation enthält Datenelemente zur Dokumentation von Arzneimittelverordnungen und -gaben. Die Medikamentenverordnung ist ein Kernprozess der Routineversorgung und findet an allen Kliniken der MII statt. Der Anteil digital dokumentierter Verordnungen ist jedoch zwischen den Standorten in Bezug auf den Strukturierungsgrad, die abgedeckten Populationen und Medikamente sehr unterschiedlich. Angaben zur Medikation können variieren von der bloßen Dokumentation der Gabe eines Präparats in einem Behandlungsfall bis hin zu einer detaillierten strukturierten Erfassung von Einzelgaben mit Codierung von Wirkstoff, Darreichungsform, Applikationsweg und Dosis nach international etablierten Standards.
An vielen Standorten werden momentan zunächst Systeme für eine systematische Erfassung der Informationen aufgebaut. Folglich sind die Daten, die für die Forschung bereitgestellt werden können, noch begrenzt.
Erweiterungsmodule
Modul Consent
Grundlage für die Bereitstellung von Patientendaten in der MII für sekundäre Datennutzung ist der Broad Consent der MII, eine einheitliche Einwilligungserklärung für die wissenschaftliche Nachnutzung der im Rahmen der medizinischen Versorgung erhobenen Patientendaten. Der Broad Consent wurde durch die Arbeitsgruppe Consent der MII ausgearbeitet und mit den verantwortlichen Datenschützern abgestimmt. Die vorliegende technische Umsetzung des Broad Consent wurde durch die Taskforce Consent-Umsetzung auf der Basis der generischen HL7-Spezifikation an die Anforderungen der MII angepasst und profiliert.
Modul Biobank – Bioprobendaten
Das Modul Biobank – Bioprobendaten beschreibt sowohl übergeordnete Sammlungen/Biobanken als auch individuelle Proben inklusive Informationen zu deren Gewinnung, Beschaffenheit, Verarbeitung und Lagerung. Bioproben werden sowohl in klinischen als auch in populationsbezogenen Biobanken gesammelt, aufbereitet und gelagert, um hochwertige Proben für wissenschaftliche Projekte zur Verfügung stellen zu können. Sowohl die unterschiedlichen Sammlungen in einer Biobank als auch die individuellen Proben müssen für das bessere Auffinden von Proben und deren sinnvolle Verwendung strukturiert beschrieben werden. Probenspezifische Daten sollten Angaben zu Probentyp, Menge, Gewinnung, präanalytischer Verarbeitung und Lagerung enthalten. Klinische Daten zur Probe werden ausdrücklich nicht von diesem Modul abgedeckt, sondern sollen über die für die jeweilige Datenart vorgesehenen Module bereitgestellt werden.
Bioproben werden zurzeit nur von einem Bruchteil der Standorte angeboten. Es werden aber sukzessive mehr Biobanken in die MII einbezogen werden.
Modul Intensivmedizin
Das Erweiterungsmodul Intensivmedizin spezifiziert akutmedizinische Daten für die Primär- und Sekundärnutzung. Die Besonderheit dieser Daten liegt nicht nur in der Schwere der Erkrankung der Patientinnen und Patienten, sondern auch in der feingranularen Datenerfassung in speziellen Dokumentationssystemen sowie der vergleichsweise hohen Dichte an voll- und teilstrukturierten Daten. Des Weiteren haben intensivmedizinische Daten eine große Bedeutung im Rahmen des lokalen und nationalen Pandemiemanagements sowie der pandemiebezogenen Forschung.